”LIEBER NICHT SCHRAUBEN ALS FALSCH?!?”
Eigentlich wäre jetzt der dritte und letzte Teil meines Berichts von der Messe bei Musik Produktiv dran gewesen. Aber dann begegnete mir vor ein paar Tagen ein Satz, der mich doch sehr zum Grübeln brachte. Ich habe ihn oben in einer an mein Thema angepassten Variante als Überschrift eingesetzt. Und mache mir heute mal ein paar Gedanken dazu.
Vor ein paar Wochen hatte ich ja schon etwas Grundsätzliches über die verschiedenen positiven Auswirkungen geschrieben, die mein Bassschraub-Projekt bereits auf mich hatte. Darin formulierte ich zum Beispiel auch diese Erfahrung bzw. Erkenntnis: Wenn ich meine Angst überwinde, werde ich dafür belohnt.
Schließlich bin ich handwerklich so unerfahren und untalentiert (was ich an verschiedenen Stellen des Projekts ja auch unter Beweis gestellt habe), dass das Ergebnis – ein wunderschön aussehender und sehr gut klingender Precision Bass – keinesfalls garantiert war. Es hätte auch schief gehen können. Im wahrsten Sinne des Wortes: Wenn beim Zusammenschrauben irgendetwas falsch gelaufen wäre, hätte das große Auswirkungen auf die Qualität des Instruments haben können. Sowohl optisch als auch akustisch. Zum Beispiel durch einen miesen Halswinkel, eine an falscher Stelle montierte Brücke, schiefe und nicht fest sitzende Stimmmechaniken – und, und, und.
Natürlich habe ich versucht, möglichst viele dieser potenziellen Probleme im Vorfeld auszuschließen – oder das Risiko zu minimieren, dass etwas schief geht. Ich habe die meisten Bohrungen, zum Beispiel für die Brücke, bei BassLine mit dem Body mitbestellt. Und habe dafür auch mit Martina Ziesemann von BassParts.de gesprochen und verhandelt, was da möglich und sinnvoll ist. Als ich Bedenken äußerte, weil nicht alle Bohrungen im Vorfeld von BassLine sinnvollerweise erledigt werden konnten, schrieb mir Martina Folgendes:
”Die Bohrungen für Straplocks und Brücke können wir Dir machen. Die Bohrungen für’s Pickguard machst Du besser selber wenn Du den Bass zusammengebaut hast. Das kriegst Du hin ! ;-)”
Das fand ich beruhigend. Aber ich hatte auch Angst und fragte mich, ob ich das wohl einigermaßen sauber hinkriegen würde. Denn wie das laufen würde, würde ich ja erst erfahren, wenn ich es auch tatsächlich mache.
Lieber schrauben? Oder nicht?
Vielleicht hat mich dieser Satz (siehe ganz oben) deshalb so angestochen. Man stelle sich mal vor: Wochenlang habe ich mir Gedanken über mein Schraub-Projekt gemacht. (Wobei die Vorüberlegungen und der Wunsch, so etwas zu machen, schon sehr viel länger bei mir im Kopf herumschwirrten.) Dann wurde es konkret, ich habe Listen mit Teilen erstellt, unterschiedliche Optionen erkundet, verglichen, verworfen, neu überlegt und versucht, dabei das große Ziel im Blick zu behalten: meinen Wunsch-Bass.
Ich habe andere Personen in diese Überlegungen eingebunden. Um Rat gefragt. Manches klang ermutigend, manches irritierte mich. Oder machte mir sogar Angst. Es gab auch immer wieder Zweifel: Warum nehme ich nicht einfach mein Schraub-Budget und kaufe mir einen fertigen Bass, zum Beispiel einen echten Fender Preci?
Und nach all diesen Wochen, nachdem ich viel Zeit und auch durchaus einiges an Geld in das Projekt investiert hatte – wie wäre das gewesen, wenn ich dann gesagt hätte: ”Lieber nicht schrauben als falsch”?
Genau. Ziemlich blöd. Denn ich hätte mich um eine wertvolle Erfahrung gebracht. Indem ich einfach im Vorfeld ausschließe, dass das überhaupt funktionieren kann, schließe ich nämlich auch die andere Möglichkeit aus: Dass es ganz anders läuft. Besser, als meine Angst und meine Bedenken es mir einreden wollen. Vielleicht sogar so gut, dass ich sehr glücklich mit dem Ergebnis bin – und mit meinem Weg dahin.
Und überhaupt: Ist es denn so schlimm, auch mal etwas falsch zu machen? Ist es dann wirklich besser, gar nichts zu machen? Was für eine traurige Philosophie, was für eine fatalistische Grundeinstellung zum Leben, dem Universum und dem ganzen Rest motiviert mich denn zu so einem Satz: Lieber nicht als falsch!
Meine Güte. Was man dann alles verpasst! Es ist unfassbar. Zum Beispiel verpasst man vollkommen, sich weiterzuentwickeln. Sich selbst zu überraschen. Sich über Grenzen zu bewegen, die eigentlich unüberwindbar erschienen. Eine wertvolle Erfahrung. Und überhaupt: Es ist immer eine Frage der Perspektive (und der Haltung), ob ich etwas als ”falsch” oder ”Fehler” oder eben nicht so negativ werte. Als ich als Jugendlicher Jonglieren lernte, bekam ich dazu einen sehr weisen Satz gesagt:
”Wenn die Bälle auf den Boden fallen, ist das ein Zeichen dafür, dass du lernst.”
”Lieber falsch schrauben als nicht.”
So sehe ich das. Und selbst, wenn wirklich alles schief gelaufen wäre, ich die Bauteile versaut und keinen nach meinen Vorstellungen funktionierenden Bass zustande gebracht hätte – es hätte mich wahrscheinlich trotzdem weitergebracht. Entweder zur Erkenntnis: ”Ich kann’s wohl wirklich nicht, aber wenigstens habe ich es versucht!” – oder zum Beschluss: ”Jetzt weiß ich besser, wie ich das angehen muss – und probiere es einfach noch einmal!”
In Deutschland liegt Heimwerken wohl gerade total im Trend, wie ich gelesen habe. Und immer, wenn ich meinen schönen Schraubbass betrachte oder spiele oder wenn ich aktuelle Nachrichten lese, denke ich: aus gutem Grund.
PS: ”Und bevor du etwas falsch machst, dann mach‘ mal lieber gar nichts.” – Das hörte ich heute früh aus dem Radio im Zimmer meines Sohnes. Auch wenn ich kein Kraftklub-Fan bin: Die Haltung der Band gefällt mir.