90 PLAN B. (Teil 2)

Aufbauende Bilder

Nachdem ich mich für ein wunderschönes Deckenholz entschieden hatte, konnte der Bau meiner Geburtstags-Gitarre im Frühjahr 2020 auch schon starten. Denn bei einer ”Baron Elektro-Gitarre” stehen die wesentlichen weiteren Parameter wie Bauform, Korpusholz, Brückenkonstruktion etc. schon fest. Was ich sehr angenehm fand. Auch sehr schön war dann im Verlauf des Jahres, dass Oliver mich regelmäßig am Entstehungsprozess meiner Baron teilhaben ließ.

Ohne Corona wäre ich wahrscheinlich ziemlich oft persönlich in der Werkstatt aufgetaucht, um mir selbst einen Eindruck vom Bauprozess zu verschaffen. Ich war zwar trotzdem recht regelmäßig da, um zum Beispiel ein paar der übrig gebliebenen Bauoptionen zu besprechen und darüber zu entscheiden. Aber Oliver versorgte mich netterweise zwischendurch immer wieder mit schönen Fotos vom aktuellen Zustand meiner Gitarre. Diese Fotos hat er mir dann auch letztens nochmal ausführlich erklärt und kommentiert – und die präsentiere ich euch hier sehr gerne. Nerd-Modus on!

Zur Einstimmung die genaueren Specs vom Baron ”Modell 1”:

• Korpus: massives Mahagoni, ausgefräst 
• Decke: 4,5 mm massiv aus Mahagoni, Ahorn, Nussbaum, Kirsche, u.a. 
• Binding/Armauflage: Ebenholz
• Hals: Mahagoni einteilig, Ebenholz-Kopfplatte
• Griffbrett: Ebenholz mit 12“-Radius, gefräste Schlitze, dem Radius folgend 
• Halsprofile: schlank (20 – 22,5 mm oder kräftig (22 – 24,5 mm) 
• Halsbreite: 42,5 (Sattel) bis 54 mm (22. Bund) 
• Mensuren: 600, 625, 650 mm
• Bünde: Medium 2,5 / 1,1 mm
• Sattel: Knochen, ungekocht
• Inlays: seitliche Punkte aus Feinsilber, Logo gefräst, mit Blattsilber ausgelegt
• Brücke: Baron Wraparound aus Glockenmessing, gefertigt bei ABM Berlin
• Tonabnehmer: Amber Baron Humbucker oder P90
• Bedienfeld: komplett Ebenholz, Volume, Tone, 3-Weg-Schalter
• Oberflächen: Nitrocellulose-Lack ohne Weichmacher, offenporig seidenglänzend, Decke optional geschlossenporig hochglänzend
• Gewicht: ca. 2,8 kg
• Ausstattung: Formkoffer, Baron-Ledergurt

Und jetzt die Bilder – Achtung, mit Fachbegriffen!

Vor dem Korpus-Ausfräsen: Vorarbeit mit dem Forstner-Bohrer. Was immer das ist.
Ausgefräster Korpus, Anpassung der Decke. Die genaue Ausformung des Innenlebens ist übrigens nicht zufällig verdeckt … 😉
Die Seriennummer ”7” wird innen im Boden eingeprägt.
Jetzt werden Korpus & Decke verleimt – in Olivers selbstgebauter Verleimpresse, die er seit 20 Jahren nutzt, gefertigt aus alten Mahagoni-Treppenstufen.
Oliver bezeichnet sich selbst als ”Leim-Aficionado”, was in seinem Handwerk wohl nicht selten ist. Allerdings sei er ”kein Traditionalist”, betont er: Er verwendet Propellerleim, auch deshalb, weil es der stärkste Leim ist.
Das Ergebnis des Verleimens. Die Korpus-Form ist jetzt auch schon mit dem Bandschleifer weiter herausgearbeitet.
Vorbereitung des edlen Ebenholz-Bindings: Der Binding-Kanal ist gefräst. Die Decke ist übrigens 4,5 mm stark, das Binding 6 mm.
Das Biegen des Ebenholz-Bindings ist alles andere als trivial – denn Ebenholz ist ”sauhart und spröde”, sagt Oliver. Allein in diesem Arbeitsschritt steckt beeindruckend viel handwerkliche Erfahrung und Präzision. Und jede Menge Geduld!
Verarbeitet werden ungefähr 150 cm Ebenholz-Binding, das Oliver aus den USA bezieht.
Das Binding wird verleimt und trocknet über Nacht. Und es gibt für diesen Arbeitsschritt tatsächlich spezielles ”Binding-Tape”, das Oliver ebenfalls aus den USA bezieht.
Der Hals ist auch schon fertig und wird perfekt eingepasst. Was man nicht als Millimeter-Arbeit bezeichnen sollte. Nein, bei Oliver geht es um Bruchteile von Millimetern, wie man später sehen wird.
Nochmal Binding-Tape: Im Entwicklungsprozess des ersten Baron-Modells hatte Oliver die Idee, dass eine Armauflage sinnvoll sein könnte. Das schaute ich mir an – und entschied mich dafür.
Hier das natürlich (ebenso wie das Binding) total perfekt ausgeführte Ergebnis. Kommentar Oliver: ”Sieht banal aus – ist aber sehr kniffelig.”
Sieht doch schon super aus!
Wirklich schönes Holz …
Hier demonstriert mir Oliver (natürlich Corona-konform) nochmal die ultrapräzise Anpassung von Halstasche & Hals: Seine rechte Hand müsste den Korpus nämlich gar nicht festhalten (und tat es eine Sekunde nach dem Foto auch nicht mehr). Der Hals sitzt auch ohne Leim so fest und passgenau im Korpus, dass man die Gitarre am Hals festhalten kann und nichts herunterfällt. Trotzdem lieber über der Werkbank ausprobieren – and don’t try this at home, kids! 😉
Das erste Zwischenergebnis beim Lackieren. Ich habe mich für die Variante ”offenporig seidenglänzend” entscheiden – weil das Holz dabei für mich sehr viel schöner und (auch haptisch) angenehmer spürbar bleibt.
Korpus- und Halsrückseite werden mit Porenfüller vorbehandelt.
Auch die Kopfplatte bekommt die ”7” als Seriennummer. Lucky Number!
Hier wird verleimt, was verleimt gehört.
Jetzt geht’s langsam schon zur Hardware über!
Die Gewindehülsen für die Helliver-Spezial-Brücke (ABM) müssen mit dem Hammer brutal ins Holz eingeschlagen werden. Hauptsache genau zielen!
(Übrigens … Wer außer mir erkennt hier das aufgeregte Holzmännchen mit dem Flammenkopf?)
Die Bünde sind ja schon länger drin; die Bundenden werden jetzt einzeln sorgfältig abgerundet.
Anschließend werden die Bünde perfekt abgerichtet. Und mit Stahlwolle manuell poliert.

Die Tonabnehmer: Doch noch eine Entscheidung.

Wie oben den Specs zu entnehmen, gibt es die Baron wahlweise mit ”Amber Baron Humbucker oder P90”. Ich tendierte eher zu P90, da ich als Fender-Player Single-Coils gewohnt bin. Aber ich entschied mich für die Version in normaler Humbucker-Bauform. Denn das erlaubt es, die Pickups später nochmal zu tauschen und Humbucker auszuprobieren.

Bei diesen Prototypen sieht man die beiden Bauformen im Vergleich:

Für diese Bauform habe ich mich entschieden. So ist es möglich, Humbucker oder P90er einzubauen, bei gleichbleibender Optik. Man beachte: Die Rahmen sind aus Ebenholz. Es gibt keinen sichtbaren Kunststoff an der gesamten Gitarre – nur die Spulenkörper sowie das Gehäuse des Schalters sind aus Kunststoff.
Auch reizvoll: In dieser Form sind nur P90er möglich. Ich persönlich mag die Optik der anderen Variante (Nickel, mattiert, genau wie die anderen Metalloberflächen der Hardware) lieber. Und sie ist eben auch flexibler.

Wie es das Schicksal so wollte, wird die Testreihenfolge der Pickups dann aber doch andersherum sein: Die Spezial-P90er mit Ebenholzrahmen waren nicht rechtzeitig verfügbar. Also baut Oliver zuerst die Humbucker-Variante ein. Bin sehr gespannt!

So, das war jetzt ca. ein Dreivierteljahr Bau- und Entscheidungsprozess, zusammengefasst in wenigen Fotos. Ich kann’s nicht anders sagen: Olivers Fotos und überhaupt die ganze Geschichte mit meiner Gitarre waren ein wesentlicher Faktor dafür, dass ich 2020 einigermaßen gut durch die bisherige Corona-Zeit gekommen bin. Ich hatte schließlich etwas, das mir am Ende das Jahres als große Belohnung fürs Durchhalten winkte. 😉 Und jetzt ist es bald soweit … Eigentlich müsste hier zwar auch noch ein Special zur genialen Gestaltung des Kontrollfelds kommen. Aber das kann ich ja nachholen, wenn die Gitarre endlich bei mir hier zu Hause steht!

Bald, sehr bald ist es soweit … Stay tuned!

Genial einfach … und einfach schön.

89 PLAN B. (Teil 1)

Eine Menge Holz

Wie im Intro bereits berichtet, kam ich mit der Ankündigung meiner Helliver-Gitarrenbestellung zum genau richtigen Zeitpunkt bei Oliver um die Ecke. Denn dessen Gedanken zur Neuausrichtung seines Sortiments und überhaupt seiner Arbeitsstruktur hatten sich da schon in erste Entwürfe niedergeschlagen. Und nachdem ich bereits ein paar Zeichnungen gesehen hatte, lagen im Herbst 2019, als ich den Helliver-Bass testete, schon fertige Teile eines Prototypen in der Werkstatt. Und ich war sofort angefixt.

Warum? Erkläre ich gerne. Aber dazu muss ich etwas ausholen …. Ja, Gitarre was my first love, wie ich im letzten Artikel schrieb. Aber eben nicht die E-, sondern die A-Gitarre. Nach der üblichen ersten Klassikgitarren-Phase mit freundlicher Unterstützung von Peter Bursch (noch die ursprüngliche Ausgabe mit Schallfolie!) stieg ich nicht sofort zur E-Gitarre auf/um, sondern kaufte mir (mit zum Teil in Ferienjobs erarbeitetem Geld) eine ganz gute Western-Gitarre, wie Stahlsaiten-Gitarren damals im Volksmund hießen. Das war Mitte der 80er.

Die hatte sogar einen simplen Pickup und wurde deshalb in der Band, die ich ungefähr zur gleichen Zeit mitgründete, ausgiebig eingesetzt. Vom Gitarristen (Hallo Andi! 😉 ), denn ich war mittlerweile auf ebenso zufälligen wie schicksalhaften Wegen zum Bass gekommen. Meine akustische Gitarre spielte ich aber immer weiter, schließlich musste ich ja auch Songs schreiben, Harmonielehre verstehen und als Jugendgruppenleiter bei abendlichen Lagerfeuer-Sessions lustiges Rudelsingen begleiten.

Am Anfang meines Studiums lernte ich dann Harald kennen, der einen Gitarrenduo-Partner gesucht hatte – selbstverständlich A-Gitarre. Wir spielten viel zusammen. Ich hatte mich inzwischen auch ausgiebig mit Fingerpicking und sonstigen eher akustischen Spieltechniken beschäftigt.

In meinem Studienjahr in den USA, Mitte der 90er, nutzte ich Gelegenheit und Dollar-Wechselkurs dann unter anderem dafür, mir neue Instrumente zu kaufen. Auf Basis meiner real existierenden musikalischen Aktivitäten war klar, was für Instrumente das sein sollten: ein E-Bass und eine akustische Gitarre. Keine E-Gitarre!

Mein Fender MIJ FotoFlame Jazz Bass, gekauft 1995 in Atlanta/Georgia. Ja, ich mag Holz-Optik. 😉

Die ebenfalls in Atlanta gekaufte Westerngitarre von Simon & Patrick Luthier (Sub-Marke von Godin) ist auch ein schönes Schätzchen. Aber eben auch akustisch. Mit E-Gitarren hatte ich es (noch) nicht so.

Auf dem Weg zum E.

Ende der 90er machte ich auf ebenso zufälligen wie schicksalhaften Wegen die Bekanntschaft einer lustigen ”Alternative Country”-Band in Münster, Barn Pain (Toralf Spittel: Voc/AGit; Marius Spittel: Bass/bVoc; Tom Heller: Drums/bVoc; Cornelius X: EGit; Tim Stelzer: EGit/bVoc). Die suchten gerade zufällig jemanden für die Solo-Gitarre. Ich stieg ein und kaufte mir, wiederum in den USA (Studienaufenthalt in Illinois), in einem Pfandleihhaus meine erste E-Gitarre – eine Charvel/Jackson Strat-Kopie. Sehr schöne Gitarre, die mittlerweile hauptsächlich von meinem Sohn genutzt wird.

Zum Examen 1999 schenkten mir meine Großeltern eine E-Gitarre (bzw. das Geld dafür), die ich in Münster bei Rare Guitar kaufte – eine sehr, sehr schöne blaue Fender USA Telecaster. Die wurde dann meine Haupt- bzw. Band-Gitarre, prominent zu hören in diesen beiden Barn Bain-Preziosen von damals (2001):

BARN PAIN: „Since She Started to Ride“ (Jonathan Richman)
BARN PAIN: „Wreck of the Old ’97“ (Charles W. Noell / Fred J. Lewey / Henry Whitter)

Von A über E nach B.

Meine ersten gitarristischen Prägungen fanden also zunächst vor allem akustisch statt. Western-Gitarren waren meine Welt. Und in der Welt der E-Gitarren, die ich später erkundete, ist die von mir geliebte Fender Tele ja eher so eine No-Nonsense-Gitarre mit einem gewissen rauen, ursprünglichen Charme und Charakter. Eben ein Brett mit Saiten drauf. Gradlinig und effektiv. Aber dann, wenn man sich näher mit ihr (und ihren unzähligen Ausführungen) beschäftigt: Es gibt unglaublich viele Tele-Spieler in einer großen Bandbreite von Stilen. Albert Collins, Mike Stern, Keith Richards, Jimmy Page (ist ja mittlerweile eine Binse, dass er das Solo in ”Stairway to Heaven” auf einer Tele gespielt hat), Danny Gatton, Bruce Springsteen – to name but a few. Da steckt dann offensichtlich doch sehr viel Potenzial in dem nur scheinbar einfachen Brett.

Tja, und was soll ich sagen: Was Oliver in seinen grundlegenden Neuplanungen skizzierte und mir zeigte, kam mir auf dieser Basis dann persönlich so passgenau entgegen, dass ich auch hier nur von einem ebenso zufälligen wie schicksalhaften Weg schreiben kann. Wobei Olivers Konzept natürlich weder viel mit einer akustischen Gitarre noch mit einer Telecaster zu tun hat. Es geht hier nur darum, dass es mich, von diesen Haupt-Prägungen kommend, sofort ansprachen.

B. in Planung

Schon die ersten Parameter des neuen Modells sprachen für sich: ausgehöhlter Korpus, Single Cut, F-Löcher, zwei Pickups – ja, doch, da kam viel zusammen, was für mich zusammengehörte!

Je mehr Oliver mir von seinem neuen Modell erzählte und je mehr Skizzen er mir zeigte, umso begeisterter war ich. Also entschied ich mich letztendlich tatsächlich gegen eine Helliver – und für eines der ersten Exemplare der neuen ”Baron Elektrogitarren” (Olivers neues Label). Ein gewisses Wagnis, ja – es gab zu diesem Zeitpunkt noch kein vollständig fertiges Exemplar zum Testen. Aber ich durfte dann viele Planungsschritte und Detailveränderungen begleiten und bestaunen, die auf den Erfahrungen mit einem ersten Baron-Prototypen beruhten. Und generell vertraute ich auf Olivers Erfahrung und Expertise. Der weiß schon, was er macht – und wenn er aus seinem Wissen mit seiner schon fast manischen handwerklichen Präzision ein neues Modell formt, dann wird das auf jeden Fall etwas Besonderes sein.

Und dann gab’s tatsächlich schon bald eine erste fertige Baron Elektrogitarre, die schon ziemlich genau das fertige Konzept repräsentierte – Trommelwirbel & Tusch:

Sie ist ein Modell …
und sie sieht gut aus. (Aber ein paar kleinere Design-Änderungen sollte es im weiteren Verlauf noch geben.)

Die genaueren Spezifikationen liefere ich in einem der nächsten Artikel nach. Für mich – und Oliver – war an diesem Modell zunächst vor allem wichtig, dass dafür gar nicht so viele Entscheidungen getroffen werden müssen. Die Gitarre ist so, wie sie ist – und abgesehen von den Pickups gibt es kaum Bereiche, in denen ich als Custom-Kunde eine Wahl zwischen verschiedenen Optionen habe. Und das ist auch gut so! Jedenfalls für mich.

Nichtsdestotrotz musste ich gleich am Anfang meiner per Handschlag besiegelten Gitarren-Bestellung eine ganz wesentliche Entscheidung treffen. Denn was ich mir aussuchen durfte/konnte/musste, war das Holz für die Decke. Und das war schwierig genug!

Ich und sein Holz.

Oliver hält eine erstaunlich große und vielfältige Auswahl an (fertig gespiegelten) Deckenhölzern in seiner Werkstatt bereit. Und das schon viel, viele Jahre – die Hölzer sind wirklich optimal abgelagert. Wir ”blätterten” also einen großen Stapel wunderschöner Hölzer durch. Mehrmals!

Dabei blieb ich wiederholt bei einer Decke hängen. Also hörte ich einfach auf mein Bauchgefühl: Diese soll es sein (siehe unten)! Hurra – der erste Schritt auf dem überhaupt nicht zufälligen, aber umso mehr schicksalhaften Weg zu meiner ”Baron” war gemacht!

Die spannende Maserung und vor allem den zarten Riegel erkennt man auf den Fotos leider nur unzureichend.
Aber das bringt das Finish dann ja später deutlicher zur Geltung. Trotzdem, so schon einzigartig, oder? ODER?
Hey, Gitarre schon fast fertig … fehlt noch was?

OK, das war jetzt wirklich eine Menge Holz. Und es wird in den nächsten Teilen des Bau-Berichts sogar noch mehr! Allerdings muss ich Oliver zu einigen der Fotos, die er mir freundlicherweise zwischendurch immer wieder zugeschickt hat, nochmal fragen, welche Arbeitsschritte genau da jeweils dokumentiert sind. Als Nicht-Handwerker sieht man da nur … nun ja, eine Menge Holz.

Bis bald – stay tuned!