”Geduld, Übung, Passion.”
Wie im letzten Beitrag ausführlich und im Detail erläutert, hatte Warwick-Gründer und Bassbau-Legende Hans-Peter Wilfer zugesagt, mir ein paar Fragen zu beantworten. Aber die musste ich mir erstmal überlegen. Infos über ihn und Interviews mit ihm gibt es ja bereits in Hülle und Fülle – seit Anfang der 1980er ist da natürlich Einiges zusammengekommen. Und auch die Warwick-Website geizt nicht mit Details und Fotos aus der Firmenhistorie. Was könnten also spannende Fragen sein?
Ich wollte ja Fragen aus Perspektive meines Blogs stellen. Jedoch kannte ich schon ein sehr ausführliches Interview, in dem Hans-Peter Wilfer (oder ”Hans Peter Wilfer”? Beide Schreibweisen werden verwendet, mit und ohne Bindestrich … Tja, hätte ich ja mal fragen können, was richtig ist … Ich schreibe dann besser ab jetzt immer ”H. P. Wilfer“ 😉 … ähm … wo war ich gerade?) sehr persönlich über sein Unternehmen, seine Arbeit und sein Leben erzählt, zu finden in der Ausgabe 1/2016 der Zeitschrift BASS PROFESSOR (ja, ich lese immer noch Fachzeitschriften).
Auch sonst gibt es viele aktuelle und informative Interviews mit ihm und Berichte über Warwick und Framus zu finden – zum Beispiel hier, hier, hier und hier. Tja. Und was ist überhaupt die besondere Perspektive meines Blogs? ”Handwerklich unbegabter Laie schraubt Bass zusammen” – so hatte ich das Herrn Wilfer beschrieben. Aber was ergeben sich daraus für Fragen? Ich überlegte. Und überlegte.
Und dann fiel mir etwas ein. Sehr naheliegend, aber wichtig. Und zwar das hier: ”Entspann dich, Tim! Denk dir einfach ein paar Fragen aus und es wird schon okay sein!” 😉
Genau. Denn H. P. Wilfer ist offensichtlich ein freundlicher und kommunikativer Mensch. Der sich netterweise Zeit dafür nimmt, mir für mein kleines Nischenblog ein paar Fragen zu beantworten.
Also ”Mehr spielen, weniger üben!”, wie ein kluger Bassist mal sagte – hier kommt, without further ado, das Interview!
1. Wann haben Sie das erste Mal gedacht oder gemerkt: „Bässe bauen, das könnte wohl als Beruf für mich funktionieren …“?
H. P. Wilfer (HPW): Nun, das ist nicht so kurz zu erklären, aber das hat sich zwischen 1978 und 1981 ergeben. Am Ende, als ich mich 1982 selbständig gemacht habe, bin ich in diese Richtung eher per Zufall reingeschliddert und habe mich dann immer mehr damit beschäftigt – so dass sich ab 1983 verfestigt hat, dass ich nur noch Bässe gebaut habe … Geplant war das nie … Aber im Leben ergeben sich immer wieder neue Gegebenheiten, mit denen man konfrontiert wird und sich dann neu ausrichten muss.
2. Sind Ihnen irgendwann einmal ärgerliche handwerkliche Fehler beim Bau eines Instruments passiert – und wenn ja, was haben Sie daraus gelernt?
HPW: Das ist ein Lernprozess im gesamten Leben. Und ja, es passieren auch heutzutage immer neue Dinge, aus denen man lernt, ein Instrument besser zu machen. Es werden ja heutzutage die Bässe aus 1984 bis 2000 immer hoch gelobt – aber heute bauen wir Instrumente auf einem Niveau, was 1984 nicht ansatzweise möglich gewesen ist. Die Technik in Verbindung mit der Handarbeit, die wir heutzutage einsetzen, sind im Vergleich Tag und Nacht – und das Ergebnis auch. Ein Instrument heutzutage hat einen Qualitätsstandard, von dem ich 1984, 1995 oder auch 2005 nur träumen konnte.
3. Haben Sie einen (klassischen oder modernen) E-Bass-Favoriten, der nicht aus Ihren eigenen Werkstätten kommt?
HPW : Natürlich, und das ist ein Fender. Aber ich wollte nie einen Fender kopieren und habe das selber in meiner Werkstatt nie gemacht. Wir könnten das Zehnfache an Instrumenten verkaufen, wenn wir wie so viele andere eine Fender-Form nehmen würden, was schlichtweg im Bassbau der Standard und die Norm ist. Das wollte ich aber nie … und hab’s auch nicht gemacht. Der Weg, den wir gegangen sind mit eigenen Formen, war immer der schwerere Weg. Eine Fender-Form zu nehmen ist einfach – das Einfachste in der Welt, so einen flachen Bass zu bauen. Das kann jeder, der keine zwei linken Hände hat, dazu gehört überhaupt nichts. Und in Korea und China und Indonesien ist das der Standard. Daher fertigen auch alle nur Fender- (oder Gibson-)Formen, das ist 95% des Marktanteils auf der Welt.
4. Können Sie prozentuale Anteile angeben, wie viel Einfluss folgende Elemente ihrer Erfahrung nach auf den Gesamtsound eines E-Basses haben?
Body-Holz: XX %
Hals-Material: XX %
Hals-Konstruktion: XX %
Hardware: XX %
Pickups: XX %
Elektronik: XX %
Bassist/in: XX %
HPW : Sowas ist immer schwer zu sagen – und man muss hier separieren zwischen dem Bass an sich und der verbauten Elektronik und den Pickups. Der Spieler ist natürlich das Ausschlaggebende, der Bass ist nur das Instrument, das die Kreativität umwandelt in einen Ton. Der Ton kommt zuerst vom Musiker / Artist und ob er spielen kann … Ich will mich nicht in Prozent festlegen, aber das Meiste ist der Musiker und dann der Bass und hier machen Hals und Tonabnehmer mit Elektronik das Meiste aus!
Dann kommt die Masse des Bodys und die Konstruktion, ob NT oder Bolt-on. Die Masse der Brücke und Konstruktion ist auch nicht zu unterschätzen.
Man kann schon sagen: Jedes einzelne Teil gibt dem Bass eine Nuance in eine Richtung! Alles zusammen ist dann die Gesamtkomposition, wie bei einem Orchester, das zusammenfinden muss.
Aber wie Bill Lawrence vor 40 Jahren zu mir sagte: Ich kann was Fantastisches aus der billigsten Gitarre herausholen. Der Ton kommt aus den Fingern. Das ist wie bei einem Auto: Sie können von A nach B fahren mit einen Bentley oder mit einen Lada. Der Komfort ist unterschiedlich bei den Autos und das Fahrgefühl, Spielgefühl – aber ankommen werden Sie mit beiden. Und auch mit einem preiswerten Instrument kann ein guter Ton machbar sein. Es ist der Spieler …
5. Haben Sie einen persönlichen Profi-Tipp für Hobby-Bass-Bauer oder -Zusammenschrauber wie mich?
HPW : Geduld, Übung, Passion und Sie dürfen unseren Beruf nicht machen, um Geld zu verdienen.
6. Was macht Ihnen bei Ihrer Arbeit bei Warwick heute am meisten Spaß?
HPW : Kreativität.
7. Gibt es eine Bassistin oder einen Bassisten, die oder den Sie bisher noch nicht kennen gelernt haben – aber sehr gerne mal treffen würden?
HPW : Sting von The Police.
Thumbs up!
Über die Antworten von Herrn Wilfer habe ich mich sehr gefreut – vor allem, weil sie offensichtlich so straight und ohne Schnörkel aus der Tiefe seines Herzens kommen. In meiner Hauptberufsbranche erlebe ich das eher selten. 😉
Schon spannend, wie er die Entwicklung der technischen Fertigungsunterstützung und ihre Auswirkungen auf die Qualität der Bässe skizziert. Aber ohne diese Entwicklung hätte ich wohl kaum meinen eigenen Preci-Schraubbass in dieser Qualität zusammenstellen und und -schrauben können. Oder nur mit einem höheren Budget. Sehr schön finde ich außerdem das Bild des Basses als Gesamtkomposition bzw. ”Orchester, das zusammenfinden muss” – darin finde ich mich mit meinen eigenen (bescheidenen) Bassbau-Erfahrungen ziemlich gut wieder.
Was bleibt? Natürlich vor allem ein riesengroßes
DANKESCHÖN!
an Herrn Wilfer. Und die große Freude darüber, wohin und zu wem mich mein Schraub- und Schreib-Projekt immer wieder vollkommen unerwartet führt.
Stay tuned – there’s always more bass to come!
PS: Übrigens habe ich jetzt noch mehr Warwick-Produkte hier rumliegen, und zwar einen Satz Warwick-Saiten. Werde ich demnächst ausprobieren & dann berichten …