87 JIVE TALKIN‘

You got so much!”

Effektgeräte? Für den Bass? Für meinen Bass? Anfang der 90er, in meiner heißen Zeit als Bassist & Co-Sänger einer kleinen, feinen Power-Pop-Combo in meiner Heimatstadt Wilhelmshaven, hieß meine Antwort stets ”Och … Nö.” Ich hatte schon genug mit gleichzeitig Bass spielen, singen und Text vergessen zu tun. Dann auch noch auf ”Tretminen” herumzutanzen, erschien mir immer überflüssig. Und jetzt? Liegt da eine kleine, feine neue Tretmine vor mir. Nicht die erste, die ich mir in den letzten Jahren zugelegt habe, muss ich gestehen. Aber die erste aus Wilhelmshaven!

Und das kam so. Ich hatte schon vor einigen Jahren Spaß an Bass-Effekten gewonnen – und, ehrlich gesagt, schon seit Anfang der 90er ein Bass-Multieffektgerät zum Spielen & Üben per Kopfhörer genutzt. Als ich dann vor über fünf Jahren plötzlich und unerwartet wieder eine Band hatte, probierte ich ein paar Bodentreter aus … und dann noch welche – und dann irgendwie immer mehr, bis ich ein ganzes Board hatte.

Das hat mir viel Spaß gemacht. Und Sound-Welten eröffnet, die ich songdienlich (klar) einsetzen konnte: ein bisschen Chorus bei ruhigeren Stücken, ein bisschen Auto-Wah bei einem fiesen Rocker, ein bisschen Overdrive hier und da … wirklich, großer Spaß!

Neben diesen klassischen Effekten entdeckte ich aber auch Pedale, die den Sound anders, weniger effekt-, aber trotzdem sehr wirkungsvoll formen – zum Beispiel Preamps & DI-Boxen. Da gibt es ja inzwischen eine riesengroße Auswahl, auch speziell für den Bass. Ich entschied mich für ein Gerät mit echter Röhre, weil meine Amps heute meist digital sind. Nur so ein Gefühl. Als Kind der 80er habe ich das fragwürdige Dogma ”digital = kühl, harsch” tief verinnerlicht. Obwohl ich weiß, dass das totaler Quatsch ist (und Röhren vom Handling her ziemlich nervig sein können), beeinflusst mich das trotzdem noch.

Ich merkte schnell, dass so ein Preamp-Pedal richtig was bewirken kann bei der grundsätzlichen Tonformung. Das gefiel mir. Manchmal spielte ich aber auch unter kompletter Umgehung meines Boards, direkt in den Amp gestöpselt, und dachte: Ja, das klingt jetzt aber auch sehr fein, direkt, dynamisch und voll.

Aber der Gear-Nerd in mir war getriggert und ich beschäftigte mich immer mehr mit Pedalen, kaufte pflichtschuldig Fachlektüre und staunte immer mehr über die wunderbare Welt der Boutique-Pedale, die sich seit den 80ern entwickelt hatte. Wir hatten ja nichts früher – also hauptsächlich Pedale von Boss & Ibanez und so, dazu Billigkram, der meist Schrott war – und für den Bass gab’s sowieso nur sehr, sehr wenig Auswahl.

In einem Artikel in der G&B entdeckte ich dann vor einigen Jahren erstmals den Hinweis, dass es tatsächlich mittlerweile eine Boutique-Pedalschmiede in meiner Heimatstadt Wilhelmshaven gibt – JPTR FX. Spannend.

Ich recherchierte. Die – wie ich fand – sehr eigenständig & ansprechend aussehenden JPTR-Pedale waren grundsätzlich eher für Gitarren gedacht & gemacht. Und die Ausrichtung schien eher auf härtere Musikrichtungen abgestimmt zu sein, was natürlich zum musikalischen Image meiner Heimatstadt passte – Heavy ging da schon immer gut.

Und dann, wie man das heute so macht: Ich folgte der Effekt-Schmiede und ihrem Mastermind Chris Jupiter auf Facebook. Schaute mir die Website näher an, freute mich über die gelungenen Texte zu den Pedalen (ist ja immer ein schwieriger Job, über Sound zu schreiben), las Testberichte in Magazinen, sah mir Videos zu den Pedalen an …

Mit anderen Worten: Ich scharwenzelte endlos um die Entscheidung herum, mir endlich mal ein JPTR-Pedal zu bestellen.

Leaving me lookin‘ / Like a dumbstruck fool

Nachdem ich zum x-ten Mal auf Facebook in den Drukos von JPTR-Posts einen schwachen Scherz darüber gemacht hatte, wie das denn nun mit Bass klingt – ja, da machte mir Chris völlig zu Recht eine klare Ansage der Art: ”Bestell dir doch endlich mal eins!”

Der Zeitpunkt war erstaunlich günstig. Mitten in den ersten Wochen der Corona-Zeit – und ich brauchte was, womit ich mich zwischendurch mal aufbauen & belohnen konnte. Außerdem hatte JPTR gerade eine sagenhafte 20 % Rabatt-Aktion gestartet, die übrigens sensationellerweise bis heute läuft.

Und warum ein JIVE?

Der ”JIVE – Reel Saturator” ist nicht nur von allen JPTR-Pedalen ”das normalste”, wie Chris sinngemäß kürzlich sagte (ab ca. 7:40) – es gehört wohl auch zu den meistverkauften aus seiner (kontinuierlich wachsenden) Werkstatt. Und ich hatte es in einem Bass-Magazin getestet gesehen und in einem BassTheWorld-Video einen kurzen, euphorischen Kommentar dazu gehört. Apropos:

Das ist zwar nicht dieses Video mit dem kurzen, euphorischen Kommentar – nein, es ist das Video mit einem sehr langen, sehr euphorischen Kommentar zum Thema JIVE & Bass. Und ich finde es außerdem sehr aufschlussreich, was die Möglichkeiten des JIVE am Bass betrifft.

Es gibt übrigens mittlerweile so viele Videos, die sich mit dem JIVE als Gitarren- und Bass-Pedal beschäftigen und dazu auch beispielhafte Sounds liefern, dass ich mir zum Glück sparen kann, für diesen Artikel auch noch was aufzunehmen. Schaut und hört einfach hier!

In einem der Videos kommt aber die spezielle Magie der JPTR-Effektwelt besonders gut rüber – und es ist sehr charmant gemacht, finde ich:

”Und wie klingt das mit Bass?”

Siehe und höre oben, da sind ja auch einige JIVE-Tests mit Tieftönern dabei. Ich selbst musste mich übrigens etwas gedulden, bis ich (m)einen JIVE mit meinem Bass hören konnte. Und das kam so.

Nach Kauf & Bestellung bekam ich innerhalb von zwei Wochen ein Paket aus Wilhelmshaven. Für ein handgefertigtes Boutique-Pedal eine gute Zeit, finde ich.

Und verpackt war es nicht nur gut, sondern auch schön – weil komplett plastikfrei:

Kleiner Karton in großem Karton …
Schöner Karton (handbeschriftet!) auf Teppich …
Schwarzes Einschlagpapier, sehr schön, auch haptisch …
Da isses! Das JPTR JIVE live. (Übrigens wird für jedes verkaufte JPTR-Pedal ein Baum gepflanzt – geil, oder?

Mir gefällt die etwas abgerockte Optik sehr gut. Außerdem macht das sehr stabil gebaute Ding den Eindruck, als könne auch mal der langbärtige, rundbäuchige Frontmann einer südnorwegischen Black/Doom/Grind/Core-Metal-Band versehentlich (mehrmals) draufspringen, ohne dass es größeren Schaden nimmt (im Gegensatz zu den Bühnenbrettern).

You’re gonna take away my energy

Ich probierte das Teil natürlich gleich aus. Natürlich mit einem amtlichen Netzteil.

Altes Brett, neuer Bodentreter.

Beim ersten hastigen Test war alles gut. Aber dann, einen Tag später, als ich mehr Zeit hatte – da funktionierte außer der Leuchtdiode nichts mehr. Kein Sound.

Hm. Blöd.

Ich kürze die Geschichte mal ab: Ich schrieb Chris eine Mail, schilderte das Problem und wir einigten uns schnell, dass ich ihm das Ding am besten zurückschicke. Dann vergingen ein paar (wenige) weitere Wochen – und der Paketbote brachte mir ein neues (?) JIVE. Und das funktioniert super. Schon seit Monaten.

Ob das JIVE einfach defekt oder was genau das Problem war – keine Ahnung, es gab keine weiteren Erklärungen. Aber, um das nochmal zu betonen: Es hat nur wenige Wochen gedauert. Und es geht hier um ein handgefertigte Boutique-Pedale, direkt beim Hersteller bestellt. Und ich habe mich kurz persönlich mit dem Gründer und Chef der Firma abgestimmt und ohne Diskussionen ein neues (?), funktionierendes Pedal zugeschickt bekommen.

Versucht das mal bei BOSS.

Außerdem war den Beiträgen auf der JPTR-Facebook-Seite zu entnehmen, dass ich global (!) gesehen wohl nicht der einzige war, der sich aus Corona-Frust oder anderen Gründen was von Chris & seinem Team bestellt hat. Die hatten und haben wohl sehr, sehr gut zu tun. Und suchen sogar weitere Verstärkung. Und bauen jetzt auch einen Verstärker. Und bringen viele neue oder überarbeitete Pedale heraus – und dringen gleichzeitig auch in neue, naheliegende Produktbereiche vor.

Ich mag solche (Erfolgs-)Geschichten ja sehr. Nicht nur, weil ich auch seit vielen Jahren selbständig bin und weiß, wie viele Hürden man da überwinden muss. Wobei das bei mir ja noch vergleichsweise harmlos war – als Hersteller technischer Geräte hat man ja einen ganz anderen Bedarf an Raum, Material, Investitionen und Mitarbeitern. Im Vergleich zu einem Hersteller wohlgeschliffener Worte.

Und dann auch noch in Wilhelmshaven, meiner strukturschwachen Heimatstadt, wo ich Anfang der 90er mit meiner Band überall in Kneipen & Clubs und auf den Bühnen von allerlei Stadt- und Stadtteilfesten unterwegs war – und wo es schon immer eine äußerst vielfältige und lebendige Musikszene gab. Schließlich muss man, wenn man hier lebt, auf eher dröge landschaftliche Perspektiven (wie die folgende) kreative Antworten finden, die ein kleines bisschen Schwung und Bewegung in die Bude bringen:

Besser Stiefel anziehen (Nordsee nicht unweit des JPTR-Standorts in ”Schlicktown”).

So. Wo war ich gerade?

It’s just your jive talkin‘ / That gets in the way

Beim JIVE! Yeah!

Was soll ich zum Pedal am Bass sagen: Mir gefällt’s. Sehr, sehr gut sogar. Zunächst mal ist der mögliche Volume-Boost beträchtlich und geradezu ehrfurchtseinflößend. Ich will ja niemandem weh tun mit meinem Bass, vor allem keinem Bass-Amp. Aber schon ohne viel Gain und bei einer dem Clean-Signal angepassten Lautstärke bekommt der Sound meines Schraub-Precis eine gewisse zusätzliche Klarheit, hauchzart komprimiert, angenehm dicht und ohne störenden Dynamik-Verlust.

Apropos ohne Verlust: Das JIVE bewirkt keinerlei Einbußen im Bassbereich. Auch druckvolle Sounds & Spielweisen bleiben nirgendwo im kleinen Kästchen hängen – im Gegenteil, sie kommen m. E. sogar noch besser zur Geltung. Auf der Website wird übrigens erklärt, dass das JIVE die Schaltung/Vorstufe einer alten Akai-Bandmaschine aus den 1970ern nachbildet. Vielleicht kommt meine Sympathie für das Ding auch da her, wir sind ja quasi aus der gleichen Generation

Mit zugeschalteten Dioden bietet das JIVE dann Brett nach Wunsch – vom leichten Hintergrund-Growl bis hin zum berserkerhaft brutalen Über-Drive. Wobei die dezenteren Einstellungen das Zeug zum Always-on-Effekt haben – also (siehe oben) weniger Effekt sind und mehr zur grundlegenden Soundformung beitragen. Auf sehr charaktervolle Art. Hab ich schon erwähnt, wie gut mir das gefällt?

Aktuelles Setup, all details subject to change any time …

Oh my love / You’re so good

Aktuell habe ich das JIVE ans Ende der Signalkette installiert. Ich habe den Eindruck, dass es da den besten Job macht – das Signal gewinnt am Ende nochmal Druck, Klarheit und Definition. Und ich kann den Ausgangspegel der gesamten Signalkette flexibel anpassen.

Da wir leider schon lange nicht mehr ausführlich geprobt haben, konnte ich mein umgestaltetes Pedalboard noch nicht im Bandkontext ausprobieren. Schade. Und bei unserem Live-Auftritt im August – wir waren sehr überrascht und hocherfreut, 2020 überhaupt mal auf einer Bühne stehen zu dürfen – hatte ich mich aus logistischen Gründen für ein Minimal-Setup entschieden und das Board zu Hause gelassen.

Nun gibt’s aber doch ein weiteres Problem mit dem JIVE. Natürlich. War ja klar. Aber ich hatte das zunächst nicht kommen sehen …

Ich habe nämlich den Fehler gemacht, das Ding auch mal mit meiner USA-Tele und meinem (Economy-) Röhrenamp auszuprobieren.

Was soll ich sagen (zum zweiten Mal)? Eine Offenbarung, das JIVE.

Mit Gain auf 12 bis 15 Uhr und der obersten Diode angeknipst bekomme ich einen so fantastischen, klaren, bluesigen, crunchigen und dabei immer noch voll dynamischen Sound (vor allem mit dem Halspickup), dass es eine Freude ist. Freu, freu, freu.

Alle anderen mit dem JIVE möglichen Gitarrensounds sind ebenso inspirierend und zum Ausprobieren & Experimentieren animierend. Kleine Kiste, großartige Geräusche. Ohne klingt’s auf einmal langweilig und leer … es ist wirklich schon fast gemein.

Treating me so cruel

Also was jetzt – noch’n JIVE kaufen? Warum eigentlich nicht … Schließlich stelle ich mir gerade auch ein Gitarren-Pedalboard zusammen. Aus Gründen, die ich demnächst verraten werde. Außerdem kann man jetzt nicht mehr nur ein JIVE kaufen – sondern gleich drei verschiedene.

Denn Chris Jupiter & sein Team haben natürlich inzwischen das Potenzial ihres Bestsellers erkannt und bieten das JIVE jetzt auch als Double-JIVE ”JIVEEVIL” und als Micro-Version (ohne Dioden-Gedöns) an. Einfach mal auf jptrfx.com vorbeischauen. Und bestimmt gibt’s schon viele Tests auf YouTube.

Oder in die aktuelle Ausgabe der G&B hineinlesen – da sind drei JPTR-Pedale ausführlich im Test, eines davon ist das JIVEEVIL. in der G&B gab’s übrigens auch früher schon mal JPTR-Tests zu lesen.

Falls ich noch einmal schwach werden sollte, ist neben dem Micro-JIVE übrigens vor allem das JPTR-Kaleidoskope auf meiner Wunschliste. Mal sehen …

Jive talkin‘, just isn’t a crime

So. Ich weiß zwar nicht, ob die Gebrüder Gibb damals eine Akai-GX-210D-Bandmaschine im Studio stehen hatten, aber die Vorstellung ist doch schön.

Mein JIVE TALKIN‘ kommt hier zum Ende – aber ich schreibe eventuell nochmal ein Update, wenn ich das JIVE auch endlich mal im Bandkontext einsetzen konnte.

Also, wie immer: Stay tuned!

83 KELLERMANN

Musik für Harald. Auf Haralds Bass gespielt.

Es ist jetzt fast eineinhalb Jahre her, dass mein guter Freund Harald gestorben ist. Ich hatte hier im letzten Jahr bereits ausführlich darüber geschrieben. Jetzt habe ich ein Bass-Solo-Stück aufgenommen, das seinen Namen trägt – und das ich auf dem Bass eingespielt habe, den er mir vermacht hat.

Im März 2018 hatte ich die kleine Melodie zum ersten Mal aufgenommen und dann auch hier in einem Blog-Artikel präsentiert. Das Stück war damals noch nicht ganz fertig und hatte noch keinen Titel, obwohl mir eigentlich schon klar war, das es ”Kellermann” heißen würde. Musste. Denn als es mir einfiel oder zufiel oder wie auch immer man das nennen möchte, war ich in Gedanken fast ständig bei Harald, der zu dieser Zeit bereits zwischen verschiedenen Krankenhäusern und unklaren Diagnosen hin- und her wechselte.

Im Laufe des Jahres kam dann noch ein B-Teil zu dem Stück dazu, außerdem baute ich einen kleinen Improvisationsteil ein, wenn ich das Stück spielte. Als ich dann Haralds Bass erbte, dachte ich schon: Irgendwann spielst du das Stück auf seinem Bass und nimmst das auf.

Aber ich habe sehr lange gebraucht, bis ich den Bass überhaupt mal in die Hand nehmen konnte. Weil da immer dieses Gefühl war: Ich bewahre ihn nur für Harald auf. Irgendwann kommt er und holt ihn ab.

Als wir uns dieses Jahr im April trafen und Haralds Geburtstag in einer seiner Lieblingskneipen in Münster feierten, sprach ich mit seinem Bandkollegen Joshy darüber, der eine von Haralds Gitarren geerbt hatte. Er konnte mein Zögern nachvollziehen – aber hatte sich inzwischen davon lösen können, die Gitarre neu besaitet, eingestellt, gepflegt und zum Spielen fertig gemacht. Denn dafür sind Gitarren und Bässe ja da: Das man sie spielt. Und nicht nur an die Wand hängt, anschaut und denkt: Harald holt sie irgendwann wieder ab. Weil das nie passieren wird. Leider.

Haralds Fender Mexiko Jazz Bass

Also habe ich den sehr schönen Jazz Bass vor ein paar Wochen in die Hand genommen und darauf gespielt. Auf den Saiten, auf denen Harald noch gespielt hatte. Nachdem der Bass über ein Jahr nur an der Wand gehangen hatte, musste ich die Saitenlage und die Intonation ein bisschen anpassen. Dann ließ er sich sehr gut spielen. Obwohl die Saiten schon wirklich sehr alt waren.

Doch bevor ich den Bass dann demnächst mal reinige, pflege, einstelle und neu besaite, wollte ich ”Kellermann” damit aufnehmen. Auf dem Bass, wie ich ihn von Harald geerbt habe, mit den Saiten, auf denen er noch gespielt hat.

Hier ist das Video. Die technischen Details dazu erkläre ich vielleicht später mal, heute geht es einfach nur um meine anhaltende Trauer um meinen Freund Harald, um die tröstende Wirkung von Musik und von schönen Erinnerungen – und darum, dass es mir eine große Ehre ist, Haralds Bass spielen zu dürfen.

”Kellermann”

https://www.youtube.com/watch?v=yh3BhwCQJrM

82 THE BASS BABY (III)

”Man hört, dass es ein Helliver-Instrument ist.” – Oliver Baron im Interview (Teil 3 des Bass-Berichts).

Wie versprochen gibt’s heute den Helliver-Chef & -Gründer Oliver im O-Ton. Der freundliche Dipl.-Des. spricht über den ersten Bass aus seiner Werkstatt – und lässt dabei angemessen tief blicken, was seine Arbeits- und Herangehensweise im Allgemeinen und Speziellen angeht. Und nein, es ist bestimmt kein Zufall, dass dabei schon nach rund 20 Sekunden zum ersten Mal das Wort ”Anspruch” fällt – und nach 20 weiteren Sekunden zum zweiten. 😉

Ich traf mich mit Oliver in einem kleinen Café in unserer Nachbarschaft (wir wohnen praktischerweise im gleichen Stadtteil), das auf traditionelles, aber zeitgemäß gestaltetes Handwerk setzt und mit liebevoller Hingabe selbst hergestellte Produkte anbietet. Hm. Bevor jetzt jemand die bösen Wörter ”Trend” und ”Craft” laut ausspricht, schnell zum Interview – in dem sich Oliver nicht nur wieder einmal als angenehm offener und inspirierter Gesprächspartner erweist, sondern es auch schafft, mich mit seiner Antwort auf meine halb scherzhaft gemeinte letzte Frage ziemlich zu überraschen. Aber lest selbst!

Ich habe beim Interview total vergessen, einfach mal ein Foto zu machen. Aber das iPhone war ja auch mit Mitschneiden beschäftigt. Also hier stellvertretend Olivers Schätzchen, die er beim Guitar Summit 2019 präsentiert hat – Helliver-Bass inklusive.

[timschraubtbass] Oliver, du baust jetzt schon seit rund 20 Jahren Gitarren. Musstest du wirklich so lange üben, um dich an deinen ersten Bass zu trauen?

[Oliver Baron] Es wäre nicht zwingend nötig gewesen, so lange zu warten. Was mich davon abgehalten hat, ist einfach, dass ich kein besonders guter Bassist bin. Denn wenn ich einem Kunden ein Instrument so auf den Leib schneidere, wie ich das mit den Gitarren mache, ist mein Anspruch dabei, das Instrument auch komplett zu verstehen. Also es wirklich spielen und beurteilen zu können – weil es eben um die Feinheiten geht. Irgendeinen Bass, der „ganz gut“ klingt, den hätte ich auch schon im ersten Jahr bauen können. Aber darum kann es ja nicht gehen. Jedenfalls nicht bei Handarbeit, bei den aufgerufenen Preisen und bei meinem Anspruch an meine Arbeit.

Deshalb habe ich das lange vor mir hergeschoben. Als ich dann das Firebug-Gitarrenmodell gebaut habe, dachte ich: Das wäre auch ein schöner Bass! Ein bisschen war die Idee dabei auch, dass ich damit davonkomme, wenn der Bass etwas „speziell“ wird. Es sollte gar nicht der Bass sein, der alles kann und jedem gerecht wird – sondern der eine Nische füllt. Daher dann auch die Medium-Mensur und die ungewöhnliche Holzauswahl: Ich war gespannt, was dabei rauskommt. Abseits der Fender- und Alembic-Schule gibt es jetzt nicht so viel Auswahl, finde ich. Vor allem keine Instrumente, die als Haupt-Bass irgendwie sexy sind. Wobei das in den letzten Jahren mehr geworden ist, muss ich sagen.

Aber die Idee war eben, einfach genau so ein Nischen-Instrument zu bauen. So, wie ich mir das denke. Und dann zu schauen, wie’s wird. Und wenn’s dann nichts wird, ist es auch egal (lacht).

Also ist der Bass „aus eigenem Antrieb“ entstanden – oder gab es auch schon viele konkrete Nachfragen nach einem Helliver-Bass?

Beides eigentlich. Es gibt viele Bands, in denen zum Beispiel beide Gitarristen meine Gitarren spielen. Dann kommt der Bassist irgendwann natürlich auch: „Was ist denn jetzt mal mit einem Bass?“ (lacht) Ich rede jetzt ja schon seit fünf oder sechs Jahren davon … Aber es war hauptsächlich der eigene Antrieb. Ich wollte wissen: Wie wird das, wenn ich sowas mache?

Da meine Gitarren trotz – oberflächlich gesehen – ähnlicher Bauweise wie beispielsweise bei Gibson doch völlig anders klingen, war meine Hoffnung, dass ich das beim Bass auch erreiche. Also wenn ich Mahagoni und Ebenholz verwende und den Hals einleime, dass da eben nicht ein Gibson EB rauskommt. Und genauso war es dann auch.

Das, was meine Gitarren von ähnlichen Gitarren auf dem Markt unterscheidet, das unterscheidet auch meinen Bass von vergleichbaren Bässen. Man hört, dass es ein Helliver-Instrument ist – und das finde ich natürlich sehr zufriedenstellend.

”Sehr zufriedenstellend” – ein klarer Anwärter auf den Award für das „Understatement des Jahres” 2019.

Was waren für dich bei der Konzeption des Basses die maßgeblichen Parameter?

Ich wollte, dass es ein kompaktes und leichtes Instrument wird – also auch für Umsteiger von der Gitarre funktioniert. Auch, weil ich mich ja selbst so einordnen würde. Was will ich mir – als nicht so groß geratener Mensch und Gitarrist – gerne umhängen? Das waren in etwa die Vorgaben. Ich wäre schon zufrieden gewesen, wenn dabei, ich sag mal: ein guter Rocksound rausgekommen wäre. Wenn man mit dem Bass also ein ordentliches Fundament legen kann. Das hätte mir schon gereicht.

Die Holzauswahl war dabei aber gesetzt?

Ja, das war im Grunde die Übertragung meines Gitarrenkonzepts auf den Bass. Ich wollte sehen, ob das funktioniert. Ich war mir ziemlich sicher, dass es funktioniert – und dass die Gründe, warum andere Hersteller das nicht so machen, eher traditioneller Natur sind. Wer sonst leimt den Hals ein – und wer nimmt Mahagoni, vor allem für den Hals? Das macht kaum jemand.

Oft denkt man, dass viele in der Industrie gesetzte Standards eben so sind, weil das total sinnvoll ist und nichts anderes funktioniert. Das ist in der Regel aber einfach nicht so. Das sind meist uralte Entscheidungen, die irgendwann mal getroffen wurden – und die wir dann zum hundertsten Mal durchkauen, weil uns für andere Optionen die Vorstellungskraft fehlt oder man doch nur einen Markt bedienen will. Wozu das Konzept ändern, wenn die Kundschaft doch eher an den alten Standards klebt?

Also lieber neue Standards setzen – oder zumindest testen, was geht.

Genau. Einfach schauen, was mit anderen Mitteln geht. Wenn der einzige gut klingende Bass wirklich aus einem Erlen- oder Eschen-Body mit aufgeschraubtem Ahorn-bestehen müsste, dann hätte ich das Projekt auch nicht weiterverfolgt.

Hast du denn im Bassbereich recherchiert oder dir bestimmte Sachen angeschaut?

Ich führe ja auch Reparaturen durch, hauptsächlich Neubundierungen, und habe deshalb seit fast 20 Jahren immer wieder andere Instrumente in der Hand. Vieles kann man da übertragen: Ich weiß, was ein Ahorn-Hals im Vergleich zu einem Mahagoni-Hals am Ton verändert. Ich weiß, was leichtes und was schweres Mahagoni am Ton macht – und an welcher Stelle. Und ich weiß, was der Faktor Gewicht grundsätzlich für ein Instrument bedeutet.

Wie genau dann die persönlichen Ansprüche aussehen und ob man mit dem Bass dann in einer bestimmten Frequenz und in einer bestimmten Band-Konstellation durchkommt, das müssen mir dann letztendlich die ersten Beta-Tester sagen – so wie du halt.

Alles bereit zum Beta-Test unter den harten Einsatzbedingungen einer eher selten auftretenden Band mittelalter Männer. Man beachte den sauber gestaubsaugten Probenraumboden. Nicht im Bild: das alkoholfreie Radler. Rock’n’Roll!

Welche neuen Erfahrungen hast du beim Bau des Basses gemacht – und gab es dabei Überraschungen für dich?

Ich war über das erste Feedback und meinen eigenen Eindruck von dem Instrument insofern sehr überrascht, das vieles, was man allgemein mit der kürzeren Mensur verbindet, da überhaupt nicht zum Tragen kommt. Ich hatte vorher gedacht: Wenn die Mahagoni-Konstruktion mit der kurzen Mensur irgendwelche eklatanten Schwächen hat, der Bass also zum Beispiel nur bassig klingt, schlecht auflöst, irgendwie „Gummi“ wird, untenrum schmiert, viel zu wenig Mitten hat, dass es hauptsächlich an dieser Kombination liegen würde. Das hat sich aber alles nicht bewahrheitet.

Die Gesetze sind zumindest bei diesem Instrument tatsächlich doch andere. Viele „Vorhersagen“ kann man zwar von Gitarren-Konstruktionen übertragen – viele aber auch nicht. In diesem Fall ist es für mich gut ausgegangen. Die Schwächen, die ich eigentlich befürchtet hatte, sind alle nicht vorhanden. Dafür gibt es natürlich andere Dinge, die ich mir noch genauer anschauen will – damit es eben nicht nur ein guter, sondern ein sehr guter Bass wird. Das sind Details wie die Brücke, vielleicht auch die Mensur, die Halsdicke. Aber ich kann auf jeden Fall mit einem geleimten Mahagoni-Hals in einem Mahagoni-Body und mit einem Ebenholz-Griffbrett arbeiten – und das wird super funktionieren. Was vorher überhaupt nicht klar war.

Das Projekt war also in mancherlei Hinsicht durchaus überraschend. Aber zum Glück hauptsächlich positiv (lacht). Es hätte auch der letzte Helliver-Bass werden können. Wenn meine Befürchtungen eingetreten wären, hätte ich den Schluss daraus gezogen, dass die grundlegende Holzkombination und -konstruktion so nicht funktioniert für einen Bass.

Weil man das dann nicht mehr kompensieren könnte, also zum Beispiel mit der Brücke oder anderen Konstruktionsdetails?

Genau. Oder man hätte wirklich sehr viel kompensieren müssen – und das kann’s ja auch nicht sein. Es muss ja für sich gesehen schon ein gutes Holz mit Vorteilen sein – sonst brauche ich damit nicht zu arbeiten. Und die übliche Fender-Bauart wäre zu weit weg gewesen von dem, was ich sonst mache. Das hätte mich dann nicht interessiert.

Wie würdest den Anteil, den Holzauswahl und -konstruktion am Sound haben, in Prozent einschätzen – ungefähr jedenfalls?

Das ist schwierig. Wenn man alles mit reinnimmt, inklusive Griffbrett … es ist sehr schwer konkret zu beziffern. Und wo guckst du jetzt hin? Ist der Primärton dein Fokus oder das, was aus dem Amp rauskommt?

Ich sag mal so: Wenn du über einen guten Verstärker spielst und die Feinheiten raushörst, sicherlich 50 Prozent. Man kann einiges kompensieren, das stimmt auf jeden Fall. Aber wenn du genau das gleiche Instrument mit grundverschiedenen Hölzern baust, funktioniert das eine hervorragend und das andere überhaupt nicht – soweit würde ich gehen, was die Einschätzung der Relevanz der Hölzer angeht.

Eine ganze Menge relevantes Holz: der Helliver-Bass.

Welche Optionen gibst du Bassisten, wenn sie den Helliver-Bass bei dir bestellen möchten?

Wenige! (lacht) Farblich gibt es natürlich Optionen, auch beim Halsprofil und der Mensur und ganz klar bei den Pickups. Ich sehe da gar nicht so sehr den einen Pickup-Typ als gesetzt an – das ist weitgehend Geschmackssache. Gerade beim Bass kann man über die Pickups wunderbar andere Klangfarben herausholen, die alle ihre Berechtigung haben.

Andere Bodyformen, einen dickeren Body oder eine andere Kopfplatte werde ich nicht anbieten. Das ist alles sehr aufwändig und bietet nur kleinere Mehrwerte, die man als Kunde nach einem halben Jahr vielleicht gar nicht mehr wahrnimmt. Grundsätzlich geht es hier um „alles anbieten“ kontra „es besser wissen“ – dazwischen muss man sich einpendeln. Ich versuche dann eher, das, was ich weiß und vielleicht auch besser weiß, wirklich als gesetzt anzubieten. Am Ende sind so alle zufriedener, glaube ich. Und wer sich darin nicht wiederfindet, kommt dann vielleicht irgendwo anders zum Zug – ist dann auch OK für mich. Der Bass ist in meinem Portfolio ja immer noch ein Nischen-Ding.

Was hat dir das bisherige Feedback zum Bass für Erkenntnisse gebracht?

Auch wieder einiges. Ich höre natürlich ganz genau hin – und rechne immer mit dem Schlimmsten (lacht).

Bei den Dingen, die mehrfach gesagt werden, ist es für mich klar, dass ich das umsetzen muss. Vor allem, weil ich im Bassbereich nicht so viel Praxiserfahrung habe. Das nehme ich sehr, sehr ernst und sammle immer weiter Feedback.

Ich bequatsche das dann alles mit meinem „Chefentwickler“ Dave [Sustain a.k.a. Sound Ranger], der ja ursprünglich Bassist ist. Ich kann das halt weniger gut beurteilen als jemand, der Bass spielt – selbst wenn er kein Wahnsinns-Könner sein sollte, denn darum geht es ja gar nicht. Sondern einfach darum, dass man das Ding regelmäßig umhat und spielt. Dann weiß man genau, wo’s drückt oder was funktioniert und was nicht. Anders als bei den Gitarren, da lasse ich mir gar nicht mehr reinreden (lacht).

Und was kommt als nächstes – die Helliver-Ukulele?

Ich habe tatsächlich schon „E-Kulelen“ gebaut, ganz am Anfang. Eine davon habe ich einem meiner ersten Kunden geschenkt, Guido von den Donots. Als Mini-Kopie von seiner Helliver Classic.

Es ist aber schwierig, die Dinger bei der sehr kurzen Mensur mit Stahlsaiten zum Intonieren zu bringen. Klingt auch komisch, eher wie eine schlechte E-Gitarre – deshalb habe ich das auch nicht weiterverfolgt.

Gut, dass ich in meinem Archiv noch Helliver-Fotos habe … Hier richtet Oliver gerade die Bünde meines Schraubbasses ab – noch vor dem Werkstatt-Umzug.

Vielen Dank nochmal an Oliver für das Gespräch! Und weiterhin viel Erfolg mit dem tollen Helliver-Bass. Und mit den Helliver-Gitarren natürlich auch. 😉 Zum Abschluss (und auch als Überleitung zum demnächst erscheinenden neuen Blogartikel) hier nochmal der gute Florian Friedrich, wie er den Helliver-Bass auf der Guitar Summit 2019 anspielt. Übrigens ein Video mit richtig professionell aufgenommenem Bass-Sound … kann ich sowas vielleicht auch? Stay tuned!